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Róbert und der Bär

Montag und Dienstag hatte ich meinen Termin bei Róbert Borbás (aka Grindesign) in Budapest, hier könnt ihr mehr über den gesamten Urlaub lesen.

Den Termin habe ich im März 2015 gemacht, mit einer groben Idee, bei der ich ihm weitestgehend freie Hand lassen wollte: ein Bären-Schamane in einem brennenden Wald, irgendwo noch ein anatomisches Herz, vielleicht in seinen Klauen, und eventuell noch Knochen und Schädel. Die Idee gefiel ihm damals schon gut und das hat sich auch bis zum Design nicht geändert: Er hat mir, entgegen seiner Ankündigung immer erst einen Tag vorher zu designen, schon Samstagabend eine E-Mail mit einem Entwurf geschickt. Bis auf ein paar Kleinigkeiten hat er mir auf Anhieb super gefallen und er hat ihn nach meinen Wünschen verändert, sodass ich mich in die fertige Skizze direkt verliebt hab als ich ankam. Aber wo kam ich eigentlich an?

Bevor ich nach Budapest geflogen bin, habe ich ein großes, geräumiges, modernes Studio erwartet. Hohe, glänzende Schrankwände, alles optisch sehr glatt, vielleicht sogar ein bisschen futuristisch. Als ich die Tür zu Rooklet INK öffnete, wurde ich eines besseren belehrt: Ein kleiner Raum, vielleicht 20 bis 30 m² groß*, lag vor mir; links eine Couch und ein altmodischer Sessel an einem kleinen Tisch, rechts lief man an einem vollgepackten Jackenständer vorbei direkt auf die Theke zu. Die Wände waren voll mit diversen Bildern und ausgestopften Tieren und Geweihen; an der linken Wand stand eine Glasvitrine mit diversen interessanten Kleinigkeiten, unter anderem einem Schädel. An der Wand gegenüber des Eingangs führte in der Mitte eine schmale, rote Wendeltreppe aus Metall nach oben, von wo man direkt ein lautes „Hallo“ hörte. Kurz darauf erschien Robert am unteren Ende der Treppe und begrüßte uns. Auch ihn hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Vielleicht bin ich da auch selbst schuld, ich habe mir nicht viele Fotos von ihm angeschaut, sondern mich mehr auf seine Kunst konzentriert. Mein erster Eindruck war jedenfalls: Fester Händedruck, klein, sympathisch, toller Bart. Den Bart und die langen Haare kannte ich von den paar Fotos, die ich gesehen hatte, aber der Gesamteindruck war ein ganz anderer. Alle Bedenken ich könnte mich vielleicht nicht mit ihm verstehen waren sofort wie weggeblasen. Er hat mir seine fertige Skizze gezeigt und gesagt, dass wir heute den Oberarm (also den Bärenkopf) machen und morgen den Unterarm (also das Herz). Ich war direkt einverstanden, da er meine Wünsche perfekt umgesetzt hatte und das Zeitmanagement eh seine Sache ist.

Wir gingen also nach oben, damit er die Vorlage anbringen konnte. Der obere Bereich des Studios war nicht ganz vom Eingangsbereich getrennt, im Grunde wie ein Balkon innerhalb des Zimmers, man könnte vorne über eine Brüstung nach unten auf die Tür und die Sitzecke schauen. Links und rechts von der Wendeltreppe waren kleine Vorsprünge, die wohl als Schreibtische genutzt wurden. Auf dem linken stand eine Dockingstation, aus der in angenehmer Lautstärke eine Mischung aus Black Metal und Death Metal wubberte, ab und an unterbrochen durch andere Musikrichtungen, z.B. mit Bands wie Blues Pills und Portishead. Nachdem er die Vorlage zu seiner Zufriedenheit auf meinem Oberarm angebracht und ein paar Details per Hand angezeichnet hatte, machte er eine Raucherpause. Die erste von vielleicht dreien oder vieren an diesem Tag, was mich absolut nicht störte, aber da Astrid mich zu dieser ersten Raucherpause für weiteres Sightseeing verlassen hat und er seine letzte machte, als sie mich abholte fragte sie mich direkt „Mensch, wie viel raucht der denn?“, daher ist mir das gut im Gedächtnis geblieben. Sie hätte auch problemlos bleiben können, wir waren zwischenzeitlich zu acht auf der oberen Etage, während noch jemand im Wartebereich saß und das Vergnüngen des free Wifi nutzte, das es im Tattoo Studio wie auch sonst (fast?) überall in Budapest gab und es gingen in den zwei Tagen viele Menschen im Studio ein und aus, aber sie hatte sich einen schönen Plan zurechtgelegt mit Sachen, die sie noch sehen wollte.

Wer von deutschen Tätowierern große Liegen oder komfortable Stühle gewohnt ist, wird bei Rooklet INK überrascht: Róbert bot mir einen Hocker und ein Kissen an, den Arm legte ich auf eine Armstütze. Ich wüsste aber auch nicht, wie es sonst hätte funktionieren sollen, denn diese kleine Etage teilten sich drei Tätowierer. Im Laufe des Tages musste ich trotz dieser platzsparenden Möblierung ab und an die Füße einziehen, aber das sollte für niemanden ein wirkliches Problem darstellen. Als ich Róbert fragte, ob er sich ein größeres Studio wünsche, sagte er, er würde sich nicht beschweren, wenn er ein bisschen mehr Platz hätte, aber es gefiele ihm so, wie es ist. Er begründete, er möge es während der Arbeit mit seinen Kollegen reden oder seiner Verlobten am Empfang etwas zurufen zu können. Die gesamte Atmosphäre war sehr locker und familiär, man hat sich einfach wohlgefühlt; die meisten meiner Fragen wurden mit „Sure, no worries.“ beantwortet, z.B. hab ich den Kühlschrank mitbenutzen können und ungarische Schokoriegel probieren dürfen. Und dass er während der Arbeit gerne redet, habe ich schnell gemerkt und auch, wenn ich kein Wort ungarisch spreche, war offensichtlich, dass hier viel gescherzt wird und sich niemand selbst zu ernst nimmt. Anfangs hat er sich immer wieder dafür entschuldigt, dass er die ganze Zeit ungarisch spricht, dann ist er dazu übergegangen bei größeren Gesprächen einfach kurz auf Englisch für mich zusammenzufassen, worum es gerade geht. Was mich eher beunruhigt hat, war die Tatsache, dass er manchmal beim Quatschen seine Kollegen angeschaut hat statt meinen Arm, aber trotzdem weiter tätowiert hat. Aber nunja, was soll ich sagen, der Mann weiß was er tut und es ist alles perfekt gelaufen; er hat auch immer nur kurz weggeschaut und auch nur bei Schattierungen oder dem ohnehin zufällig platzierten Speichel des Bären.

Ich glaube, das Wort, das ich von Róbert am häufigsten gehört habe, war „sorry“. Er war bei allem sehr rücksichtsvoll und hat versucht das Tattoo so wenig schmerzhaft wie möglich zu gestalten. Immer wenn er gemerkt hat, dass die Stelle gerade für mich unangenehm war, hat er sich entschuldigt und auch jedes mal, bevor er in die Nähe der empfindlicheren Stellen (sprich Achselhöhle, Ellenbogen oder Armbeuge) gegangen ist. Seine Rücksicht ging sogar so weit, dass er am Dienstag alles fertig gemacht hat, bis auf den Ellenbogen. Er hat mich am späten Nachmittag runter zum Spiegel geschickt, damit ich mir das Tattoo anschauen kann. Die eine Pfote sei zwar nicht ganz fertig, aber er habe sie angerissen und wolle mich nicht weiter quälen und ich solle sagen, wie ich es finde. Unten habe ich meinen Arm im Spiegel gesehen und war begeistert – bis ich meinen Arm gedreht habe. Die Pfote war nur angedeutet und man hat direkt gesehen, dass das Tattoo unvollständig ist. Da ich wusste, dass er nur aufgehört hat um mich zu schonen, habe ich ihn gefragt wie lange es dauern würde die Pfote auszuarbeiten und mich anschließend noch weitere 20 Minuten unter seine Nadel begeben. Mir war lieber noch ein paar Minuten länger Schmerzen zu ertragen, als mich die nächsten Jahre über mich selbst zu ärgern, bis ich meinen nächsten Termin bei ihm habe. Als er fertig war und gesehen hat, wie das Gesamtwerk aussieht war er begeistert und hat sich tierisch gefreut, dass ich ihn gebeten habe es noch zu Ende zu bringen. Ein letztes Mal hat er mich noch zum Spiegel geschickt und als ich wieder hoch kam gefragt: „Do you like it?“ „Yeah, it’s pawsome.“ Er war total begeistert von diesem albernen Wortspiel und hat es sofort seinen Kollegen zugerufen. Ich hab mich allerdings auch nur getraut so einen blöden Spruch zu bringen, weil er mich mittags gefragt hat „Is the pain bearable?“ und auch das direkt nochmal lachend laut wiederholt hat. Wer mich kennt weiß, wie sehr ich „bad puns“ liebe, also auf jeden Fall ein weiterer Pluspunkt für ihn.

Wir waren also fertig, er hat noch ein paar Fotos gemacht (Okay, vielleicht auch ein paar Hundert. Er hat selbst zugegeben, dass das Fotografieren bei ihm immer ewig dauert.), dann sind wir runter gegangen und ich habe gezahlt. Am Montag war ich überaus erstaunt, als er mir die Wahl ließ, das Tattoo einfach erst am zweiten Tag zu zahlen. Schließlich war das, was er da innerhalb der ersten Stunden gezaubert hat schon wie ein fertiges Tattoo und ich hätte einfach abreisen können und mich nie wieder melden… Aber das Vertrauen war anscheinend groß genug; vielleicht hat er einfach gemerkt, wie vernarrt ich in seine Kunst bin. So oder so, ich bin selbstverständlich an beiden Tagen da gewesen und hab auch den abgesprochenen Preis gezahlt. Den nächsten Termin haben wir für Ende 2018 geplant, ich freu mich schon.

Hier gibt’s seinen Facebook Post zu meinem Tattoo und zum Schluss noch meine eigenen schlechten Fotos:

 

*) ich bin schlecht im Schätzen, Angaben ohne Gewähr 😉

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